Bildung, Hypo, Medien und das Osterwunder

Wenn man die aufgeregte Medienberichterstattung zu den Sparmaßnahmen im Bildungsbereich der letzten Tage verfolgt hat, könnte man zum Schluss kommen, dass nun endlich auch Medien und selbsternannte Bildungsexperten die Qualität des heimischen Schulsystems erkannt haben und selbiges vor gröberen Einschnitten bewahren wollen. Könnte …

Herbst 2013: Seit Monaten wird zwischen Lehrergewerkschaften und Regierung über das Lehrerdienstrecht verhandelt. Von Woche zu Woche erhöhen vor allem Boulevardmedien den Druck auf die Regierung, auch ohne sozialpartnerschaftliche Einigung mit den Lehrervertretern endlich das neue Lehrerdienstrecht zu beschließen. Damals wie heute wehren sich Schüler, Eltern und Lehrer gemeinsam lautstark gegen die verordnete Qualitätssenkung im Bildungsbereich. Ohne Erfolg. Im falschen Glauben, mit einem raschen Beschluss am Beginn der neuen Legislaturperiode entschlossenes Handeln zu demonstrieren und damit den Medien zu gefallen, peitschte die Koalition mit ihrer nur mehr knappen Mehrheit das Lehrerdienstrecht durch den Nationalrat.

April 2014: Warum auch immer, während alle anderen Regierungsmitglieder sich nobel über Sparmaßnahmen ausschweigen, prescht Unterrichtsministerin Heinisch-Hosek mit konkreten Maßnahmen, die noch dazu direkt Kinder und Jugendliche in den Klassen treffen, an die Öffentlichkeit. Ein gefundenes Fressen für die Medien. Endlich bekommt die schon ein wenig schwächelnde Hypo-Diskussion eine emotionale Komponente, die sich seitenlang ausschlachten lässt. „Zukunftsraub an Kindern, Geld für Bildung und nicht für marode Banken“, lautet ab nun das Motto. Lehrerdienstrecht hin oder her, plötzlich stellen sich Medien wie selbst ernannte Bildungsexperten auf die Seite der Schulpartner und fahren so schwere Geschütze gegen die Unterrichtsministerin auf, dass diese heute unter der Last des medialen Dauerfeuers zusammenbricht und alle angekündigten Sparmaßnahmen vorerst zurücknimmt.

Doch stehen sie wirklich auf Seiten der Schulpartner? Ich meine nein und möchte dies an folgenden drei Punkte festmachen:

1) BM Heinisch-Hosek wurde ihr zeitlich und inhaltlich ungeschicktes Agieren zum Verhängnis. Den Medien wäre es völlig egal gewesen, ob Einsparungen im Sozialbereich, bei der Gesundheit oder eben im Bildungsbereich zuerst publik werden. Hauptsache, man hat ein emotionales Thema, um die Hypo-Diskussion weiter am Köcheln halten zu können. Einen Meinungsschwenk der Medien in Sachen Bildung kann man daraus nicht ableiten.

2) Die Hand, die einem füttert, beißt man nicht. Selten zuvor war dieser Spruch in Boulevardmedien deutlicher sichtbar als in diesen Tagen. Denn was das Einsparen von Politinseraten in Gratisblättern bedeuten kann, drückt Österreich-Herausgeber Wolfgang Fellner besonders drastisch aus: „Wenn diese Ministerin tatsächlich unfähig ist, mehr Geld für moderne Schulen aufzutreiben und einzufordern, dann bin auch ich dafür, die Schulagenden an die Länder zu geben.“ (1) Die veröffentlichte Meinung der Gratisblätter ist käuflich, Schwenks sind daher nur eine Frage des Betrages.

3) Wer genau zwischen den Zeilen liest, der konnte in den letzten Tagen bereits erste Anzeichen eines „brauchbaren Kompromisses“ im Schulstreit ausfindig machen. Christian Ortner bringt es in der heutigen Presse auf den Punkt: „Auf die Gefahr, nun von Lehrern menschenverachtender neoliberaler Umtriebe bezichtigt zu werden: Im wirklichen Leben senken Unternehmen Kosten, wenn es ums Überleben des Betriebs geht, indem sie mit dem Betriebsrat vereinbaren, dass für das gleiche Geld etwas mehr gearbeitet wird (…).“  (2) Damit ist klar: Von Meinungsschwenk keine Spur, damit sind wir wieder zur Argumentation aus Zeiten der Lehrerdienstrechtsdebatte zurückgekehrt.

Auch wenn dieser Kommentar am Karfreitag verfasst wurde, wer auch immer an ein Osterwunder bei Medien und selbst ernannten Bildungsexperten in Sachen Bildungspolitik geglaubt hat, der muss leider enttäuscht werden.

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(1) Quelle: http://www.oe24.at/oesterreich/politik/wolfgangfellner/Wolfgang-Fellner-Das-sagt-Oesterreich/139933202
(2) Quelle: http://diepresse.com/home/meinung/quergeschrieben/christianortner/1595627/Wie-waers-mit-ein-bisschen-mehr-Arbeit-furs-gleiche-Geld