Wenn Wirtschaft Schule macht

Rechtzeitig vor Schulschluss beklagen die Sozialpartner die hohe Anzahl an „Schulabbrechern“ und vermengen mit diesem Begriff Jugendliche, die keinen Lehrabschluss besitzen mit jenen, die keinen Pflichtschulabschluss haben. Was allerdings darauf folgt, sind ausschließlich gute Ratschläge für Reformen in der Schule. Über die weitaus dramatischere Situation in der Lehrlingsausbildung verlieren Arbeiter- wie Wirtschaftskammer kein Sterbenswörtchen. Aus gutem Grund …

„Die Durchfallquote bei der Lehrabschlussprüfung ist auf dem höchsten Stand seit 1970“, titelte die Tageszeitung „Die Presse“ am 11.3.2013. Und weiter liest man dort: „Von 58.034 Lehrlingen, die 2012 zur Lehrabschlussprüfung antraten, sind 18 % durchgefallen, berichtet die APA auf Basis von Wirtschaftskammer-Daten. Das ist die höchste Durchfallrate seit 1970. (…) Von den Maler-Lehrlingen schafften im Vorjahr 38 % die Lehrabschlussprüfung nicht. Wenig Patzer gab es indes beim Beruf Bankkaufmann (3,3 %). Insgesamt 22 Lehrberufe wiesen eine Durchfallrate von über 30 % aus.“

Wer nun die Ursache für diese in Schulen unvorstellbar hohen Durchfallquoten im Migrantenanteil sucht, der wird von der Statistik eines Besseren belehrt. Denn während in der AHS der Anteil der Schüler mit nichtdeutscher Umgangssprache bei 15,3 %, in der Hauptschule bei 21,7 % und in der NMS sogar bei 27,4 % liegt, liegt er in Berufsschulen bei nur 10,6 %. (1)

Von jenen, die bei der Lehrabschlussprüfung durchgefallen sind, versucht es nicht einmal die Hälfte ein zweites Mal. Rund jeder zehnte Lehrling bleibt so trotz absolvierter Lehre ohne Berufsabschluss. Noch schlimmer ist die Situation in der „Überbetrieblichen Ausbildung“, dem Ersatzprogramm für Jugendliche, die keine Lehrstelle gefunden haben. Nicht nur, dass in diesen Bildungseinrichtungen noch mehr Absolventen bei der Lehrabschlussprüfung durchfallen – im Jahr 2011 waren dies 26,1 % (2), also mehr als jeder Vierte – , auch die Kosten sind dort deutlich höher. Ein Jahr in „Überbetrieblicher Ausbildung“ schlug im Schuljahr 2008/09 mit Kosten von 15.000 Euro pro Kopf zu Buche. (3) Zum Vergleich: Ein Schüler in der AHS-Unterstufe kostet laut Rechnungshof 4.700 Euro pro Jahr.

Vorschläge zur Reform der Lehrlingsausbildung gäbe es genug. „Wer einmal die Lehrberechtigung erhalten hat, behält diese derzeit unbefristet”, sagt etwa AK-Präsident Rudolf Kaske und fordert, dass die Betriebe in regelmäßigen Abständen, etwa alle fünf Jahre, kontrolliert werden sollen, ob sie noch alle Voraussetzungen für die Lehrlingsausbildung erfüllen. (4) Der Vorarlberger Egon Blum, von 2003 bis 2008 Lehrlingsbeauftragter der Bundesregierung, fordert eine verpflichtende Teilprüfung zur Hälfte der Lehrzeit. Diese wurde Ende 2008 bereits in Österreich eingeführt, aber bald darauf wieder abgeschafft. (5)

Sehr reformfreudig scheinen aber im Bereich der Lehrlingsausbildung weder die Arbeitnehmer noch die Arbeitgeber zu sein, denn diese Reformvorschläge sind bereits fast zwei Jahre alt. Von einer Umsetzung ist bis heute noch nichts an die Öffentlichkeit gedrungen.

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(1) BMI (Hrsg.), migration & integration – Schwerpunkt: Bundesländer (2014), Seite 10
(2) ibw/öibf, Jugendbeschäftigung in Österreich 2010 – 2011 (2012), Seite 104
(3) OECD, The Labour Market Integration of Immigrants and their Children in Austria (2011), Seite 72
(4) Wiener Zeitung, 27.7.2012
(5) Wiener Zeitung, 27.7.2012