Jedes Jahr aufs Neue: Lehrer- und Schulbashing mit der Nachhilfekeule

Jedes Jahr aufs Neue publiziert die Arbeiterkammer kurz vor Schulschluss eine Studie über das Thema Nachhilfe. Und jedes Jahr aufs Neue ist die mediale Darstellung der Arbeiterkammer-Studie extrem unseriös. So übertitelt etwa der ORF Tirol einen Bericht über diese Studie auf seiner Homepage mit den hetzerischen Worten „Eltern kostet die Schule Millionen“.

Eine Interpretation, die den Zahlen der Arbeiterkammerstudie gerecht würde, würde dem österreichischen Schulwesen und allen Lehrern ein großes Kompliment aussprechen. Denn es gibt, wie wir zuletzt auch von der PISA-2012-Studie bestätigt bekamen, in Österreich im internationalen Vergleich wenig Nachhilfe.

Exemplarisch seien ein paar Gustostückerl, wie mit Daten und Ergebnissen manipulativ bzw. selektiv umgegangen wird, hier präsentiert. Die im Folgenden verwendeten Zahlen beziehen sich immer auf die Nachhilfestudie der Arbeiterkammer Tirol und betreffen Tiroler Eltern. Die Arbeiterkammer Tirol hat zusätzlich zur bundesweiten Befragung 300 Tiroler Haushalte mit insgesamt 511 Schulkindern befragen lassen. In vielen Darstellungen ergeben sich Prozentsätze, die in Summe weit mehr als 100% ergeben. Die Arbeiterkammer argumentiert das mit Mehrfachnennungen innerhalb einer Familie mit mehreren Kindern.

Der ORF schreibt: “23 Prozent der Tiroler Eltern bestätigten, dass zumindest eines ihrer Kinder im laufenden Schuljahr oder den letzten Sommerferien externe Nachhilfe benötigt hat: Bei 15 Prozent war es eine bezahlte Nachhilfe.”
Der ORF schreibt nicht: 85% der Tiroler Eltern benötigen KEINE kostenpflichtige Nachhilfe (Seite 22)!

Der ORF schreibt: “Der Gesamtbedarf an Nachhilfe ist mit 32 Prozent jedoch deutlich größer. Schließlich sind auch jene neun Prozent der Eltern hinzuzurechnen, die zwar Unterstützung gebraucht hätten, diese aber – meist aus finanziellen Gründen – nicht engagieren konnten.”
Der Zusatz „meist aus finanziellen Gründen“ ist Demagogie pur! Denn nur 40% der Eltern, die Nachhilfe gebraucht hätten, sie aber nicht bekommen haben, gaben finanzielle Gründe dafür an. 60% dieser Eltern gaben an, entweder keine geeignete Lehrperson gefunden zu haben oder verwiesen auf „andere Gründe“ (siehe Seite 36).

Der ORF schreibt: “4 von 10 Tiroler Haushalten mit Nachhilfebedarf benötigen für ihr Kind das ganze Schuljahr über Nachhilfe. (…) Das angestrebte Ziel wird in 86 Prozent der Fälle auch erreicht.”
Verschwiegen wird vom ORF allerdings, was „das angestrebte Ziel“ war! In 39% der Fälle wollte man durch Nachhilfe eine positive Note verbessern, weitere 39% geben „andere Gründe“ an und nur in 28% der Fälle war die Verbesserung einer negativen Note der Beweggrund für Nachhilfe (Seite 31)!

Der ORF schreibt: “Jeder betroffene Haushalt gibt im Schuljahr 2013/14 inklusive der vorangegangenen Sommerferien durchschnittlich 619 Euro für Nachhilfe aus.”
Verschwiegen wird vom ORF, dass in einem Teil der Haushalte für mehr als ein Kind Nachhilfe bezahlt wurde und die Summe pro Schulkind daher 564 Euro beträgt (Seite 37). Pro Kind und Monat kommt man so auf einen Betrag von 47 Euro. Ein Vergleich mit den Kosten einer Arbeitsstunde eines beliebigen Handwerkers macht schnell klar, dass maximal von 2 Stunden Nachhilfe pro Monat die Rede sein kann.

Dass sogar ein so anerkannter Bildungsexperte wie Andreas Salcher auf solche Manipulationen hereinfällt, ist zwar bedauerlich, aber leider nicht zu verhindern. Selbst dann nicht, wenn er vor laufender Kamera auf seinen Irrtum hingewiesen wird.

Die Vermutung liegt nahe, dass hier gezielt ein erfolgreiches Schulsystem und seine Lehrer in Misskredit gebracht werden sollen. Schade, denn dieses Lehrer- und Schulbashing jedes Jahr aufs Neue haben sich weder Schüler noch Lehrer verdient!