Hochmut kommt vor dem Fall

Die Woche vom 5. bis zum 11. Mai des Jahres 2014 wird wohl als historisch in die jüngere Geschichte Österreichs eingehen. Nein, ich meine jetzt nicht den Sieg Österreichs beim Eurovision-Song-Contest durch die Kunstfigur „Conchita Wurst“, verkörpert durch Thomas Neuwirth, zu dem ich natürlich sehr herzlich gratuliere. Ich meine die skandalösen Vorgänge rund um die Zentralmatura, die in dieser Woche an vielen AHS- und BHS-Standorten erstmalig durchgeführt wurde.

Konnte sich das für die Durchführung verantwortliche Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens, kurz BIFIE genannt, am Montag nach der Zentralmatura aus Deutsch noch in Sicherheit wiegen (die inhaltliche Kritik setzte erst zeitversetzt ein), so kam es Mitte der Woche bei der Englisch-Zentralmatura knüppeldick. Völlig überraschend erhöhte es nämlich die Schwelle, ab der eine Englisch-Klausur positiv ist, von 60 % auf 63 % und zog es vor, die Betroffenen von dieser Maßnahme erst nach der Matura zu informieren.

Doch während sich die Medien noch lautstark über dieses Kommunikationsdesaster alterierten, brach schon die nächste Katastrophe über das BIFIE und damit auch über das Unterrichtsministerium herein. An einigen Wiener Gymnasien wurden fehlerhafte Angabehefte für die Mathematik-Zentralmatura geliefert. Anstatt der vorgeschriebenen 24 Beispiele fanden die Maturanten nur acht Beispiele zur Lösung vor. Die Matura musste unterbrochen und ein Notfallplan in Gang gesetzt werden. Erst mit mehrstündiger Verspätung konnte schlussendlich die Matura zu Ende gebracht werden.

Verständlich, dass bei diesen untragbaren und skandalösen Vorgängen die verantwortliche Unterrichtsministerin „die Nase voll hat“. Bei allem Respekt für eine ins Trudeln geratene Unterrichtsministerin, aber noch viel mehr Grund, die Nase vom BIFIE voll zu haben, haben die Lehrerinnen und Lehrer an weiterführenden Schulen. Über viele Jahre lang musste man sich vom BIFIE die pädagogische Welt erklären lassen, wurden von so genannten Experten bewährte Lehrkräfte, die die Machenschaften des BIFIE kritisch hinterfragten, als altmodisch und ihre Unterrichtsmethoden als aus der Steinzeitpädagogik stammend abqualifiziert. Viele bunte BIFIE- Hochglanzbroschüren zur neuen Reifeprüfung kamen an die Schulen, dass sich diese fachlich und organisatorisch zum Teil widersprachen und in vielen Fällen fern jeglicher Schulrealität waren, schien weder im BIFIE noch im Unterrichtsministerium auf größeres Interesse zu stoßen. So ist es derzeit im Fach Mathematik immer noch möglich, mit einer bestimmten Punktezahl die Note „Gut“ zu bekommen, hat man allerdings im falschen Teil der Klausur auch nur einen einzigen Punkt weniger, so erhält man die die Note „Nicht genügend“. Kontinuität gab es beim BIFIE ausschließlich bei den jährlich steigenden Kosten, die auch der Rechnungshof bereits im Jahr 2011 bei einer Prüfung kritisierte.

Wer aber jetzt glaubt, das wäre es gewesen mit dem Zentralmatura-Skandal, der irrt! Denn war das Problem in Englisch „nur“ eine desaströse und völlig verspätete Kommunikation des BIFIE und in Mathematik schlicht grob fahrlässige Schlampigkeit beim Druck der Matura-Angaben, so kündigt sich im Fach Spanisch ein fachliches Erdbeben an. Nach ersten Rückmeldungen betroffener Lehrer und Schüler soll die Matura-Angabe in Spanisch mit diversen Grammatik-, Akzentregel- und Sprachfehlern „garniert“ sein. Eine genaue Analyse ist derzeit im Gang.

Nach dieser Pannen-Serie reicht es nicht, wenn Unterrichtsministerin Heinisch-Hosek nach dem Putzen ihrer vollen Nase personelle Konsequenzen im BIFIE zieht. Dem unsäglichen Treiben dieses Bundesinstituts ist sofort ein Ende zu setzen, das BIFIE ist unverzüglich zu schließen, die Weiterentwicklung des österreichischen Schulsystems hat wieder Aufgabe des Unterrichtsministeriums zu sein. Die so eingesparten Millionen müssen wieder dort investiert werden, wo sie am dringendsten benötigt werden, nämlich im Klassenzimmer! Noch selten zuvor war der weit verbreitete Spruch treffender als hier: Hochmut kommt vor dem Fall.