Claudia Schmied, die NMS und das sinkende Schiff

Eines muss man der ehemaligen Unterrichtsministerin Claudia Schmied schon lassen: Sie hat ein feines Sensorium dafür, wann ein sinkendes Schiff idealerweise zu verlassen ist.

So war es schon bei der Kommunalkredit, die kurz nach ihrem Wechsel aus der Chefetage in die Politik mit juristischer Begleitmusik notverstaatlicht werden musste. Und so ist es nun auch bei ihrem ministeriellen Prestigeprojekt, der Neuen Mittelschule (NMS), deren fulminantes Scheitern trotz enormer Kosten sie ihrer Nachfolgerin zu verkünden überlässt. Aus „unerklärlichen“ Gründen wurde die für Anfang Dezember 2013 angesetzte Präsentation der Ergebnisse der Bildungsstandardüberprüfung vom April 2013 gleich um zwei Monate auf Ende Jänner 2014 und damit auf einen Zeitpunkt nach ihrem Abgang als Unterrichtsministerin verschoben.

Nach dem gestrigen Tag ist allerdings klar, die NMS ist gleich in dreifacher Hinsicht eine Enttäuschung:

  • Da wären zum einen die Eltern der NMS-Schüler. Ihnen wurde als besonderer Pluspunkt der NMS der gemeinsame Einsatz von Hauptschullehrern und Lehrern von höheren Schulen (AHS oder BHS) in den Hauptfächern, Mathematik, Deutsch und Englisch angepriesen. Auch noch zu einem Zeitpunkt, zu dem längst klar war, dass dies durch den immer stärker werdenden Lehrermangel von den höheren Schulen nicht mehr geleistet werden kann. „Das ist eine Frechheit. Es wurde eine Erwartungshaltung aufgebaut, die überhaupt nicht eingehalten werden kann“, meint etwa Peter Retter, Obmann des Tiroler Landesverbandes der Elternvereine an mittleren und höheren Schulen Tirols und der Elternvereine an Pflichtschulen. (1)
  • Den berechtigten Beschwerden der Eltern begegnete die Schulbehörde auf zweifache Weise. Einerseits wurden Lehrer höherer Schulen nicht nur in den Hauptfächern sondern auch in allen anderen Fächern eingesetzt. Andererseits wurde angehenden Lehrern in höheren Schulen nur dann ein Vertrag angeboten, wenn sie sich – mehr oder weniger freiwillig – bereiterklärten, auch in der NMS zu unterrichten. Da trafen dann Junglehrer, die in eine Schulart geschickt wurden, für die sie nicht die passende Ausbildung absolviert hatten, auf erfahrene Pflichtschul-Kollegen, denen mit dieser Vorgangsweise vermittelt wurde, dass ihr pädagogisches Wirken nur dann gut sei, wenn es vom Jungkollegen aus der höheren Schule „kontrolliert“ werde. Ein Umstand, der für die Motivation beider Lehrer eher abträglich war.
  • Aber die größten Verlierer sind wohl die Kinder der NMS-Jahrgänge. Sie wurden durch die Abschaffung der Leistungsgruppen in den Hauptfächern und durch das Vorgaukeln allzeit positiver Noten durch ein auf sieben Noten aufgeblähtes Beurteilungsschema in Wahrheit zu pädagogischen Versuchskaninchen degradiert und ihre Zukunft (absichtlich?) aufs Spiel gesetzt. Denn spätestens beim Übertritt in eine weiterführende Schule brach das NMS-Konstrukt wie ein Kartenhaus in sich zusammen, viele NMS-Schüler mussten mühsam das Nichtgelernte nachlernen oder scheiterten gar.

Klar ist aber auch, dass das Projekt „Neue Mittelschule“ als staatlich verordnete Strukturveränderung gescheitert ist. Besser wäre, die nicht unbeträchtlichen Summen für die Neue Mittelschule so zu verwenden, dass die Schulstandorte selbst aufgrund ihrer sozioökonomischen Situation entscheiden können, welche Förderangebote für Schwächere notwendig sind und wie man begabte Schüler bestmöglich fordern und unterstützen kann. Noch besser wäre es, mehr in die vorschulische Bildung, in den Kindergarten und in die Volksschule zu investieren, denn in Wahrheit liegen die Probleme unseres Schulsystems dort begraben. Und genau dort können sie auch behoben werden.

Das alles wird Claudia Schmied nur mehr wenig beeindrucken. Muss es auch gar nicht, segelt sie doch schon neuen Zielen entgegen. Unbestätigten Gerüchten zufolge soll sie Rektorin des Mozarteum in Salzburg werden. (2) In Anbetracht ihres durchschlagenden Erfolgs sowohl bei der Kommunalkredit als auch in Sachen NMS darf man daher auf ihr dortiges Wirken schon sehr gespannt sein …

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(1) siehe: http://www.tt.com/%C3%9Cberblick/6516747-6/tirols-eltern-sind-ver%C3%A4rgert-mittelschulen-ohne-ahs-lehrer.csp
(2) siehe: http://derstandard.at/1389857564240/Geruecht-um-Claudia-Schmied-als-Rektorin