Die Westachse hatte ihre Chance

Man kann zu den Personalentscheidungen rund um die Bildung des ÖVP-Regierungsteams stehen, wie man möchte. Im Zuge solcher Entscheidungen wird es immer Gewinner und Verlierer geben. Doch es grenzt an eine politische Faschingsposse, wenn man in Wien zustimmt, zu Hause aber die mitgetragene Entscheidung heftig kritisiert. Noch infantiler wird es, wenn man zur Sandkistenpolitik übergeht und frei nach dem Motto „Wenn du mir keine Ministerposten gibst, dann mache ich Modellversuche zur Gesamtschule“ medial durch die Lande zieht. Infantil deshalb, weil die Westachse ihre Chance hatte, sie aber nicht nutzte.

Da wäre zum einen der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer, ein allseits anerkannter und über die Landesgrenzen hinaus bekannter „Bildungsexperte“. Nur deshalb wurde er zum hauptverantwortlichen ÖVP-Koalitionsverhandler im Bildungsbereich bestimmt. Dass seine Nominierung auch etwas mit der medial gehypten Westachse zu tun haben könnte, sollte sich schon bald als bösartige Medien-Ente entpuppen. Zwar schrieb noch am 3. Juli 2013 der Standard „Salzburgs Landeshauptmann und ÖVP-Chef Wilfried Haslauer setzt die ‚Westachse’ mit seinen schwarzen Amtskollegen Markus Wallner und Günther Platter in der Schulpolitik in die Tat um. Wie der Vorarlberger und der Tiroler Landeshauptmann schert nun auch er aus der Linie der Bundes-ÖVP aus und plädiert für die gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen“, doch im Herbst fand sich im Koalitionspakt dann kein Sterbenswörtchen zum Thema Gesamtschule. Viel mehr gefiel sich Haslauer in der Rolle des Wiedereinführers der Aufnahmeprüfung an Elite-Gymnasien.

Schon ein paar Monate früher erlebte der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter sein bildungspolitisches Waterloo. In sämtlichen Umfragen vor der Landtagswahl schwächelte die Tiroler ÖVP auf niedrigem Niveau dahin, dazu kamen personelle Querelen. Ein Befreiungsschlag musste also her. Und so diktierte Günter Platter Ende November 2012 dem Standard ins Mikrofon: „Die Gesamtschule ist keine Frage der Ideologie, sondern eine Frage der Vernunft. (…) Ich will, dass in Tirol die gemeinsame Schule entwickelt wird.“ Das Ergebnis ist bekannt: Die Tiroler ÖVP fuhr im Frühjahr 2013 ihr historisch schlechtestes Ergebnis bei Landtagswahlen ein, dass dabei noch höhere Verluste erwartet wurden, kann nur ein schwacher Trost sein. Und Monate nach der Wahl hat sich der Befund nicht geändert: „66 Prozent der Tiroler sprechen sich in einer aktuellen TT-Umfrage gegen eine einheitliche Schule für 10- bis 14-Jährige aus. (…) Nur 22 Prozent befürworten die Gesamtschule. (…) Entgegen der Landesparteilinie der ÖVP befürworten nur acht Prozent deren Anhänger in Tirol die Gesamtschule“, schreibt die Tiroler Tageszeitung vom 27. Dezember 2013.

Eine Erfahrung, die Landeshauptmann Markus Wallner noch fehlt, denn in Vorarlberg wird der Landtag erst im heurigen Herbst gewählt. Doch einen ersten Vorgeschmack gab es bereits bei der letzten Nationalratswahl. Wallner, selbst ohne vorangegangene Landtagswahl ins Amt gekommen, fuhr im Wahlkampf zur Nationalratswahl ganz gezielt seinen Gesamtschulkurs gegen die Linie der Bundes-ÖVP und wähnte sich als Bildungsmodernisierer: „Wir wollen nun ähnlich wie Tirol ein regionales Forschungsprojekt zur gemeinsamen Schule umsetzen. Es dürfen keine Kinder zurückgelassen werden, deshalb müssen wir offen sein für Veränderung“, wird Landeshauptmann Wallner in der Tiroler Tageszeitung vom 29. Juni 2013 zitiert. Die Konsequenz: Ein Minus von 5 Prozent und die Frage vom Politologen Peter Filzmaier am Wahlabend vor laufender ORF-Kamera, ob denn die Vorarlberger ÖVP in Anbetracht dieses Ergebnisses organisatorisch noch existent sei. Keine rosigen Aussichten für die Landtagswahl im Herbst. Oder vielleicht doch, wenn man das Antreten der pinken NEOS berücksichtigt …

Bleibt als letzter Gesamtschul-Hoffnungsschimmer die zur Westachse geistesverwandte „Reformpartnerschaft SPÖVP“ in der Steiermark. Doch der Blick auf die Ergebniskarte (http://orf.at/wahl13/ergebnisse/) der letzten Nationalratswahl erübrigt jeden weiteren Kommentar: SPÖ wie ÖVP verlieren jeweils mehr als 5 Prozent, die FPÖ wird in der Steiermark die neue Nummer eins.

Daher ist nur mehr eine Frage offen, die von Gesamtschulideologen in der öffentlichen Diskussion tunlichst vermieden wird: Welche Schulen müssen neben den verhassten Gymnasien noch verschwinden? Sind dies etwa die vielen Musik- oder Sporthauptschulen, die Hauptschulen mit regionaler Schwerpunktsetzung, sind das die heilpädagogischen Schulzentren oder sind es die Sonderschulen? „Alle“, muss die Antwort lauten. Denn eine Gesamtschule kann es nur ohne weitere Alternativen geben.